Geothermie: Der Schatz zu unseren Füßen

Das Projekt DeepStor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) untersucht, wie überschüssige Wärme im Untergrund gespeichert werden kann

Die Energiewende kann nur mit der Wärmewende funktionieren. Geothermie soll dabei zum Arbeitspferd werden – um Wärme regenerativ zu erzeugen und um sie zu speichern. Letzteres ist Ziel des Projekts DeepStor, für das Professorin Eva Schill und ihr Team auf dem Campus Nord des KIT Bohrungen durchführen.

„Bereits mit heute verfügbarer Technologie könnte Geothermie ein Viertel des deutschen Wärmebedarfs decken“, sagt Schill, die am Institut für Nukleare Entsorgung des KIT forscht. Und mit der nächsten Technikgeneration, prognostiziert die Geologin, könne der Anteil auf etwa 50 Prozent steigen. „Unter unseren Füßen können wir aber nicht nur Energie gewinnen, wir können sie dort auch speichern.“

Effiziente Wärmeversorgung – auch für Altbau-Heizungen

Schill spricht von sogenannten Hochtemperatur-Aquifer-Speicher. Diese sind ein wichtiger Baustein ihrer Forschung. Die Idee, Wärme im Untergrund zu speichern, ist nicht neu. Die Technologie dazu ist ausgereift und wird in vielen Ländern schon heute kommerziell genutzt. „Doch da wird im Niedrigtemperaturbereich bis etwa 50 Grad Celsius gearbeitet“, so die Forscherin. „Wir hingegen wollen im Temperaturbereich von über 100 Grad Celsius arbeiten.“

Das bringe einige Vorteile. Denn viele der bestehenden Fernwärmenetze in der Bundesrepublik arbeiten bei 110 Grad Celsius. Hochtemperatur-Aquifer-Speicher ließen sich da nahtlos einbinden. Außerdem stellen hohe Vorlauftemperaturen weniger Ansprüche an die Bausubstanz der an das Wärmenetz angeschlossenen Gebäude. Das heißt, auch Altbauten würden sich auf diese Weise effizient mit Wärme versorgen lassen.

 

Im Vordergrund ist eine Wiese. Im Hintergrund eine lichte Baumreihe und Gebäude am Campus Nord des KIT. Institut für Nukleare Entsorgung, KIT
Wo aktuell noch grüne Wiese am Campus Nord des KIT ist, soll zukünftig im Projekt DeepStor gebohrt werden.
Eva Schill steht bei einem Vortrag zum Thema Geothermie hinter einem Rednerpult. Magali Hauser, KIT
Prof. Eva Schill leitet das Geothermie-Projekt DeepStor am KIT.

Salz in der Tiefe als Herausforderung für die Wärmespeicherung

Das Projekt DeepStor soll die Technik voranbringen. „Eine wichtige Frage für uns ist, wie wir effizient speichern können“, erklärt Schill. Um Antworten darauf zu erhalten, wird Ende dieses Jahres die erste von zwei Bohrungen auf dem Gelände des KIT Campus Nord gesetzt. Das Wasser, das dort unten in den Poren des Gesteins steckt, ist heiß und stark salzhaltig. Denn mit der Tiefe steigt die Temperatur. Anderthalb Kilometer unter unseren Füßen herrschen etwa 100 Grad Celsius. Und auch der Salzgehalt steigt rapide an. „Hier im Oberrheingraben beträgt die Salzkonzentration in der von uns anvisierten Tiefe über 120 Gramm Salz pro Liter Wasser“, erklärt Schill. Und das könne zum Problem werden.

Denn die gelösten Salze reagieren auf Veränderungen ihrer Umgebung. Ändern sich Temperatur oder Druck – weil etwa erwärmtes Grundwasser zum Speichern eingeleitet wird – setzt das chemische Reaktionen in Gang. Im Gestein abgelagerte Salze können in Lösung gehen. Das wäre einerseits gar nicht schlecht. Denn dadurch vergrößern sich die Porenräume im Gestein und es gibt mehr Speicherplatz. „Andererseits kann es aber auch zur Ausfällung kommen“, gibt die Forscherin zu bedenken. „Das heißt, in Wasser gelöste Salze werden fest. Das ist schlecht für uns, denn sie verstopfen dann die Poren des Gesteins, in denen wir das erwärmte Wasser speichern wollen.“ Die Forschenden in DeepStor wollen herausfinden, wie man damit umgehen kann.

Dass es sich lohnen wird, die Herausforderung anzunehmen, da ist sich Schill sicher. „Da unten beeinflussen wir nicht das Grundwasser, das wir zur Trinkwassergewinnung nutzen können und es ist viel Platz, um sehr große Mengen Wärme zu speichern.“ Warum das wichtig ist, hänge auch mit der Wärmegewinnung aus tiefen geologischen Einheiten zusammen. „Geothermie in größeren Tiefen sollte kontinuierlich betrieben werden. Denn jedes An- und Abschalten verändert die Umgebungsbedingungen und kann dadurch Störungen provozieren“, sagt Schill. Dann würden Geothermiekraftwerke auch im Sommer Wärme produzieren, wenn wir davon nur wenig brauchen. In den Hochtemperatur-Aquifer- Speichern ließe sich die Wärme für den Winter aufbewahren.

 

Hannover Messe 2023

DeepStor ist eines von zahlreichen Highlights, die das KIT auf der Hannover Messe präsentierte.

Erfahren Sie mehr in der Pressemappe.

 

Aquifer-Wärmespeicher

  • Aquifer-Wärmespeicher dienen dazu, überschüssige Wärme im Untergrund zu speichern. Während der Heizsaison kann die Wärme wieder aus dem Speicher entnommen werden.
  • Aquifer-Wärmespeicher nutzen unterirdische, wasserführende Gesteinsschichten zur Wärmespeicherung, die in sich abgeschlossen sind.
  • Die genutzten Aquifere (Grundwasserreservoire) werden durch Bohrungen erschlossen und liegen deutlich tiefer als die Reservoire, die zur Trinkwasserversorgung genutzt werden.
  • Um die Wärme im Aquifer zu speichern, wird über einen Brunnen Grundwasser entnommen. Dieses Wasser wird über Tage erwärmt. Das erwärmte Grundwasser wird dann über eine zweite Bohrung in den gleichen Grundwasserleiter zurückgeführt. Dort entsteht ein Bereich mit höherer Grundwassertemperatur.
  • Wird die Wärme im Winter benötigt, wird das warme Grundwasser wieder aus dem Speicher entnommen, die Wärme über einen Wärmeübertrager zurückgewonnen und in das Wärmenetz eingespeist.

 

Dialog mit der Bevölkerung ist essenziell

In der Bevölkerung ruft Geothermie allerdings nicht immer Begeisterungsstürme hervor. Es kursieren Vorbehalte und Ängste, die sich nicht selten in Bürgerbegehren Luft machen – etwa zur Sicherheit des Trinkwassers oder der Freisetzung des radioaktiven Gases Radon, das sich im Untergrund befindet. Eine Herausforderung, der sich Eva Schill und ihr Team bewusst sind. Die Forschenden begegnen den Fragen aus der Bevölkerung daher mit dem Dialog. „Wir binden die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an in das Projekt mit ein“, sagt Dr. Florian Bauer aus Schills Forschungsgruppe. „Wir haben die Öffentlichkeit bereits in die Genehmigungsverfahren für DeepStor miteinbezogen und ein Co-Design mit den umliegenden Gemeinden gestartet.“

Gezeichneter Querschnitt durch die Erdkruste, in der zwei Bohrlöcher in die Tiefe gehen. KIT
Die Explorationsbohrung von DeepStor erlaubt Untersuchungen zwischen 800 und 1 300 Metern Tiefe. Die Testbohrung soll der Langzeitbeobachtung dienen.

Um zu zeigen, dass das Team Bedenken wie die Sicherheit des Grundwassers, die mögliche Freisetzung von Radon oder die induzierte Seismizität ernst nimmt, startete es mit weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des KIT ein Citizen-Science-Projekt. „Wir statten die Teilnehmenden mit Messgeräten aus“, erklärt Bauer. Dazu gehören Radon- Messgeräte und Seismometer. Auch Grundwassermessstellen werden von den Forschenden überwacht. „Die gesammelten Daten fließen in ein Computermodell ein“, so der Hydrogeologe.

Anschließend erzeugt er daraus eine dreidimensionale Abbildung des DeepStor. Ein spezieller 85-Zoll-Monitor stellt dieses Modell dann räumlich dar. „So können alle sehen, was in der Tiefe vor sich geht und wie die eigenen Messdaten dazu beitragen, dem Projekt größtmögliche Transparenz zu geben“, führt Bauer aus. Die Hannover Messe 2023 soll Bühne für die Premiere des Systems sein. Später werden mehrere solcher Monitore an zentralen Orten, zum Beispiel an den Rathäusern der betroffenen Gemeinden, installiert.

Kai Dürfeld, 24.03.2023

Titelseite von lookKIT: Es sind Windräder, ein Lastenfahrrad und ein Mensch mit Smartphone abgebildet. modus: medien + kommunikation gmbh
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Die Ausgabe 1/2023 des Forschungsmagazins lookKIT widmet sich den Highlights aus der Technologieentwicklung, die das KIT auf der Hannover Messe 2023 zeigt.

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Das KIT auf der Hannover Messe 2023

Ausgewählte Highlights aus der Technologieentwicklung zeigt das KIT vom 17. bis 21. April im Future Hub und bei den Energy Solutions

Das simulationsbasierte Optimieren von Robotersystemen für die flexible und präzise Produktion, automatisierte Busse für den Stadtverkehr der Zukunft, hochreflektierende Spiegel aus dem Tintenstrahldrucker sowie KI-Methoden für die Mobilität von Menschen und Gütern sind die Top-Themen des KIT im Future Hub (Halle 2, Stand B45). Bei den Energy Solutions (Halle 13, Stand C70) dreht sich alles um das Energy Lab 2.0 am KIT: An der größten Forschungsinfrastruktur Europas für erneuerbare Energien geht es unter anderem um Echtzeitsysteme für Energietechnologien, Power-to-X, Geothermie und Wärmenutzung.

Weitere Informationen
Presseinformation Hannover Messe 2023: Nachhaltige Lösungen für Mobilität, Energie und Industrie

Hannover Messe 2023Stand des KIT im Future Hub
Minister Kretschmann am Stand des KIT
Ministepräsident Kretschmann am Stand des KIT, außerdem: Monika Landgraf, Wolfgang Breh, Eva Schill und Walter Tromm
Vizepräsident.Thomas Hirth und Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg
Maive Rute, stellvertretende Generaldirektorin der Europäischen Kommission,  am Stand des KIT
Präsident Holger Hanselka zu Gast am Messestand von e-mobil BW.

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